Die Kreuzigung

christus

Maria am Gestade, die älteste Marienkirche Wiens, ist seit dem 1. Mai 2008 mit einem zeitgenössischen sakralen Kunstwerk ausgestattet.

Die Salzburger Künstlerin Eva Kaiser hat es der Kirche als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Hier wird es bis Anfang Oktober zu sehen sein. Glaube will erfahren werden.

Aus diesem Grund bedarf es immer neu der aneignenden Begegnung, es bedarf der persönlichen Betroffenheit, es bedarf der Inspiration in vielfältiger Weise.

Die katholische Kirche hat eine reiche und lange Tradition, bildnerische Werke ganz bewusst in diesem Sinne einzusetzen. Bilder erzählen unaufhörlich die Geschichte Gottes mit den Menschen, sie bezeichnen das Wunder der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth,

sie folgen dem Leben Jesu in seinen heilenden und heiligenden Handlungen, und sie spüren dem Geheimnis der Erlösung durch seinen Tod und seine Auferstehung nach. Bilder religiösen Inhalts veranschaulichen weiters die geschichtliche Weite und kosmische Konsequenz der zentralen Geheimnisse des christlichen Glaubens. Indem ein Künstler gestalterisch umsetzt, was er als glaubender, hoffender und liebender Mensch erfahren hat, verleiht er diesen Geheimnissen Gegenwartskraft und schafft Glaubenszugänge für andere.

In dem Gemälde Eva Kaisers leuchtet das Ereignis von Tod und Auferstehung Jesu Christi auf. Es zeigt den „Kruzifixus“, den am Holz des Kreuzes leidenden Gottesknecht, und zugleich den lebensspendenden Erlöser. Damit zusammenhängend eröffnet das Bild eine pfingstliche Perspektive, indem der Gekreuzigte von schwungvoll gemalten Farben – Hinweis auf das Wirken des Heiligen Geistes – umspielt wird. Mit all diesen Inhalten ist die Darstellung eine Verbildlichung der Predigt des Apostels Petrus beim ersten Pfingstfest in Jerusalem:

„Israeliten, hört diese Worte: Jesus, den Nazoräer, den Gott vor euch beglaubigt hat durch machtvolle Taten, Wunder und Zeichen (….) – ihn habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht. Gott aber hat ihn von den Wehen des Todes befreit und auferweckt, denn es war unmöglich, dass er vom Tod festgehalten wurde. (…) Nachdem er durch die rechte Hand Gottes erhöht worden war und vom Vater den verheißenen Heiligen Geist empfangen hatte, hat er ihn ausgegossen, wie ihr seht und hört. (…) Mit Gewissheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt.“ (vgl. Apostelgeschichte 2,14-36)

Das auf dem Gemälde angedeutete Kreuz erinnert an die alten gotischen Baumkreuze und prägt sich tief ins Gemüt des Betrachters. Der Leib Jesu ist deutlich wahrnehmbar. Es ist unübersehbar die leibliche Wirklichkeit Christi, die sich an das Holz des Kreuzes, an das Holz des Lebens schmiegt. Gezeigt wird der Gekreuzigte nicht in der Mitte, sondern assymetrisch im breiten, sozusagen langsam ausgebreiteten Bildraum. Sein Leib schimmert in fahler Farbigkeit. Das Haupt Jesu verrät keine Gesichtszüge. Das Antlitz ist blutverschmiert – ein Zeichen der unermesslichen Qual seines Leidens. Zugleich aber kann in den nicht kenntlichen Gesichtszügen Jesu ein Hinweis auf sein göttliches Wesen gesehen werden, weil sich das Geheimnis Gottes stets irdischer Sichtbarkeit entzieht. Über dem Haupt sind bei genauerem Betrachten die Zacken einer Königskrone angedeutet: Ausdruck der Allmacht über Himmel und Erde.

Von Bedeutung ist neben dem eigentlichen Bildinhalt auch die Position des Gemäldes im Kirchenraum. Es ist an der Brüstung der Orgelempore am Westwerk der Kirche und damit an einem zentralen Sichtpunkt angebracht. Genauerhin befindet es sich an einem kleinen Erker der Empore, die einst dem an der Gestadekirche residierenden Offizial des Bistums Passau als Privatkapelle diente. Das Bild wappnet in gewisser Weise die Mitte der Orgelempore und wirkt wie eine modere Spiegelung des eindrucksvollen historischen Strahlenkranzkruzifixes auf dem entfernt gegenüber liegenden Hochaltar.

Im Mittelalter war das Westwerk von Kirchen häufig der Ort, an dem eine Darstellung des Jüngsten Gerichts gezeigt wurde. Das Gemälde Eva Kaisers zeigt in dieser Position die Quelle und das Maß aller göttlichen Gerechtigkeit: die gekreuzigte Liebe des Gottessohnes, der in die Welt kam, nicht um zu richten, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde (vgl. Johannesevangelium 3,17). In dieser seiner Liebe besteht freilich auch das Gericht Christi über Liebe und Lieblosigkeit in den Herzen der Menschen.

Die Empore von Maria am Gestade befindet sich über dem großen, in den Sommermonaten weit geöffneten Westportal der Kirche. Das Gemälde lädt ein, vor dem Verlassen der Kirche noch einmal den Blick zu heben und auf Christus zu schauen (vgl. Motto des Besuches von Papst Benedikt XVI. in Österreich, September 2007: „Auf Christus schauen“). Über das Bild hinaus erreicht der Blick des Betrachters den Orgelprospekt mit seinen hochstrebenden Pfeifen. So regt diese Situation dazu an, mit dem geistigen Ohr den gewaltig tönenden Lobpreis der Kirche, der Welt und des Himmels auf das Erlösungsgeheimnis Christi zu hören.

Das von Eva Kaiser gemalte Bildnis „Die Kreuzigung“ ist anziehend und einprägsam. Der Kirchenbesucher – gleich ob er zum stillen Gebet oder zum Gottesdienst kommt oder ob er als Tourist die Kirche betritt – möge etwas von der Gnade erfahren, die es bedeutet, Jesus Christus zu Füßen zu stehen und von ihm gestärkt den Weg des Lebens mit Vertrauen zu gehen.

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