Auftrag der Salzburger Festspiele 2004
Pitigrilli (1893-1975)
„KOKAIN“
Bearbeitung von Frank Castorf nach dem gleichnamigen Roman
Gastspiel der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin
Ein großer Teil der Kulturleistungen unserer Zivilisation wäre ohne die exzessive Verwendung erlaubter oder unerlaubter Drogen nicht möglich. Dieses ebenso selbstverständliche wie schwindelerregende Phänomen eignet sich weder als Tabu noch als Skandal. Es verweist aber auf eine grundlegende Ambivalenz gesellschaftlicher Prozesse, die weit über Fragen der Sucht, der sozialen Hygiene und des abweichenden Verhalten hinausgeht. Drogen können auch ein Indikator sein für das Ungleichgewicht, in dem eine Gesellschaft sich befindet, die das zweckrationale Kalkür zur einzigen Überlebensbedingung erklärt und damit einem Funktionalismus erliegt, der um so unerträglicher wird, je erfolgreicher er. Droge als Metapher und als ideelles Band zwischen Elite und Abschaum, zwischen denen, die nicht mehr kalkulieren wollen und denen, die es noch nie konnten. Für Frank Castorf Theaterversuchsanstalt, die sich jenseits der Ideologien mit Extremzuständen und der Transzendierung unerträglichen Lebensverhältnisse beschäftigt, liefert Pitigrillis mehrfach verbotener Roman aus dem Jahr 1922, den schon Fassbinder unbedingt verfilmen wollte, faszinierendes Material und Personal. Carstorf stellt Schwäche und Besessenheit in einen analytischen Kontext, der die homöostatische und sytematische Funktion von Drogen deutlich macht. Wieviel Drogen braucht der Mensch?
Auftragsarbeit: „Kokain“ 2004 80 x 60 Mischtechnik auf Leinwand
Eva Kaiser