In dieser Ausstellung “Erlösung der Empathie” werden insgesamt 27 Gemälde aus dem Kunstschaffen Eva Kaiser gezeigt. Die Vielfalt ihrer Werke erstreckt sich von christlicher Ikonografie bis zu expressionistischen Menschendarstellungen sowie neueren Abstraktionen. Jedoch ist die Bildsprache jeder Art nicht von dem dargestellten Thema abgetrennt, sondern zeigt ein Nachleben des tradierten Symbolgehalts der Empathie ohne seine kulturell-historische Hülle.
Der Begriff Empathie hat verschiedene Existenzformen in dem Entwicklungsablauf der Kunst. In den traditionellen Kirchenbildern findet man ein komplettes System der Farbensymbolik.
Die Funktion der Farbe ist ursprünglich von gegenständlichem Objekt unabhängig und evoziert demnach zutreffende emotionale Assoziation des Zuschauers. Sie benutzen auch die körperliche Präsenz Christi, um die Einfühlung des Betrachters hervorzurufen. Wie der französische Kirchenvater HL. Bernhard von Clairvaux es andeutet: „Da wir fleischliche Wesen sind und aus der Begierlichkeit oder unsere Liebe beim Fleisch beginnen“. Demnach wird in der bildlichen Darstellung die Menschlichkeit Christi gegenüber seiner Göttlichkeit in den Vordergrund gebracht, damit die gefühlsmäßige Annährung des Zuschauers an den Gekreuzigten, seine Wunden und sein Leiden, akzentuiert wird.
In den Bildern mit dem religiösen Thema von Eva Kaiser weichen aber die Bildkomponente wesentlich von der traditionellen Darstellungsweise ab. In dem Gemälde „der Messias“ verwendet die Künstlerin eine Naheinstellung eines Brustbildes, statt den ganzen Körper des leidenden Christi zu zeigen. Sein tief herabhängender Kopf lässt aber seine Gesichtszüge unkenntlich. Im Gegensatz zu der Betonung der physischen Qualen am Körper des Heilandes verschmiert die Künstlerin die Künstlerin mit der rasant gemalten Pinselführung die Stelle der Seitenwunde.
Da die sekundäre Perzeption der Kulturmenschen auf die naturbelassene Selbständigkeit zurückgreifen kann, zeigt Eva Kaiser hier über die christliche Ikonografie hinaus auch ein Abbild der primitiven menschlichen Empfindungen. Sie befreit die internen Gefühlstöne der Farben, indem sie die Farben von ihrem Verhältnis zu gegenständlichem Bildinhalt löst. Statt Blut realistisch zu malen, beschreibt die Künstlerin mit dem Rot das Leiden Christi nicht direkt, sondern drückt in seiner verselbständigten Form die Vehemenz währed der Passion aus. Dieses Rot verschmilzt mit dem Gelb der himmlischen Majestät und wandelt sich zu einem enthusiastischen Orange.
Die von ihrer herkömmlichen Dienstbarkeit befreite Farbe setzt Eva Kaiser weiter in ihrer Farbenlandschaft und Abstraktionen fort. In den Gemälde “Irland” manifestiert die Künstlerin die stürmische Unruhe der Umwelt mittels eines starken Kontrastes. Die breiten Bahnen ihres Farbenduktus geben keine kompakte Form wieder, sondern schaffen einen stimmungsvollen Eindruck, der sich in jedem Augenblick verändert und die vitale Ausdruckskraft der natura naturan besitzt.
Auf diese Wiese wird die Natur nicht mehr nur als die zu nachahmende natura naturata erachtet, sondern gilt als Ausgang der essentiellen Ausdrucksbegier. Die Künstlerin verkürzt den Umwandlingsprozess der Versinnbildlichung zwischen den dargestellten Elementen und der subjektiven Wahrnehmung. Die Farben beziehen sich nicht mehr auf die ausschließlichen abstrakten Ideen, sondern verursachen auf eine direkte und intuitive Weise die emotionale Auffassung, die sich von Betrachter zu Betrachter unterscheiden kann. Gegenüber der konkreten Wirklichkeit des materiellen Lebens ruft die Stärke ihrer Pinselführung die Sinneswahrnehmung in der inneren Welt des Zuschauers hervor.
Außer der Verwendung der Farben mit ihrem unmittelbares Pathosöffnet die modernistische Repräsentation von Eva Kaiser in der christlichen Ikonografie auch die Perspektive der Menschenwerdung. Durch die unkenntlich gemachten Gesichtzüge de-identifiert Eva Kaiser den Messias. Somit evoziert seine körperliche Anwesenheit die Empathie nicht speziell auf ein einzelnes Subjekt, sondern auf die allgemeine Körperlichkeit der Menschen.
Die de-identifizierte Präsenz in dem religiösen Thema verwandelt sich in die individualistischen Gestalten in der Akten- und Porträtmalerei Eva Kaisers. Die in früheren Epochen tief gesenkten Häupter der Menschen im Alltag treten hier aufrecht in Erscheinung. Diverse weibliche Körper geben dem Freiheitsdrang der Nacktheit nach. Sie variieren sowohl in der Formgebung als auch im farblichen Milieu und repräsentieren nicht die sachliche Objektivität, sondern reflektieren einen sinnlichen Reiz. Im Gegensatz zu der Zärtlichkeit der Frauen in der klassischen Ästhetik zeigt die Künstlerin die Sexualität und Schwärmerei der Weiblichkeit, die mit ekstatischen Farben und transformierter Fläche verschleiert wird. Von den dogmatischen Fesseln erlöst, ist in ihrem Bildinhalt eine utopische Welt vor dem Sündenfall zu finden, ein Urbild des Menschen mit seiner reinsten empathischen Tendenz.
Chenxin Ge
Pashmin Art Gallery